Covid-19 und die rassistische Grenzpolitik europäischer Regierungen

Tim Bredtmann

Die Seebrücke ist eine internationale Bewegung, die sich für das Recht auf Bewegungsfreiheit, sichere Fluchtwege und die Entkriminalisierung von Seenotrettung einsetzt. Die Seebrücke wurde 2018 gegründet, weil der „Lifeline“ mit 234 Menschen an Bord ein sicherer Hafen in Europa verweigert wurde. Wiederholt haben Staaten der Europäischen Union bestehendes Recht – Menschenrecht – mit Füßen getreten. Die Seebrücke hat seitdem hunderte Lokalgruppen gegründet und über 200 Kommunen zu sicheren Häfen gemacht. Das bedeutet: Diese Kommunen sind bereit, Menschen aufzunehmen. Der Bundesinnenminister versagt diese Aufnahme bis heute.

Mit welcher Menschenverachtung die Bundesregierung aus CDU und SPD auf das Leben von Menschen auf der Flucht blickt, ist schon seit Jahren deutlich. Der vorläufige Höhepunkt: Moria. Moria war mehr als ein überfülltes Lager auf der Insel Lesbos – es war ein zentrales Element der brutalen Grenzpolitik der EU. Der Brand im September 2020 war vorhersehbar. Das Leid der Menschen, die vor dem Feuer flohen, ist unerträglich.

Aktivist*innen, Expert*innen und Journalist*innen warnten immer wieder: „Wenn ihr nicht sofort evakuiert, kommt es zur Katastrophe!“ Das Lager war überfüllt, es gab kaum medizinische Versorgung, wenige bis keine Möglichkeiten, sich zu waschen und Abstand zu halten. Zur selben Zeit griff das Coronavirus um sich und gefährdete besonders Menschen mit geschwächten Körpern.

Am Tag des Brandes und noch eine Woche danach gingen hunderttausende Menschen auf die Straße, mit Abstand, Mundschutz und Sicherheitskonzept. Sie forderten: „Evakuiert alle Lager!“ Sie wussten: Covid-19 machte lediglich bestehende Zustände offenbar. Die unmenschliche Grenzpolitik der EU ist nichts als der Wille ihrer Mitgliedsstaaten. Doch anstatt der Evakuierung gibt es nun Moria 2.0. Das Lager versinkt im Schlamm. Zelte werden durch den Regen geflutet und es gibt keinen sicheren Ort.

Die Regierung aus SPD und CDU ist Entscheidungsträgerin und hat sich immer und immer wieder aktiv für diese menschenverachtenden Zustände entschieden. Eine Evakuierung war und ist möglich, über 200 Kommunen stehen bereit.

Foto: privat

Tim Bredtmann ist Politikwissenschaftler, Politischer Bildner gegen Rechtsextremismus und Aktivist im Bereich Seenotrettung. Er hat Politikwissenschaften in Rostock studiert und dort am Lehrstuhl für internationale Politik gearbeitet.