Alleinerziehende – in der Pandemie weitgehend alleingelassen

Christoph Butterwegge

Die Covid-19-Pandemie hat das Phänomen der Ungleichheit als Kardinalproblem der Menschheit wie unter einem Brennglas sichtbar gemacht, aber auch weiter verschärft. Erkennbar wurde: Trotz eines verhältnismäßig hohen Lebens- und Sozialstandards sowie entgegen allen Beteuerungen, die Bundesrepublik sei eine „klassenlose Gesellschaft“ mit gesicherter Wohlständigkeit all ihrer Mitglieder, kommt ein großer Teil der Bevölkerung nicht einmal für wenige Wochen ohne seine ungeschmälerten Regeleinkünfte aus.

Auch die Ungleichheit der Geschlechter hat zugenommen: Frauen arbeiteten häufiger als Männer in Berufen und Wirtschaftsbereichen, die von der Pandemie selbst, dem zweimaligen Lockdown und der davon mit ausgelösten Rezession negativ betroffen waren. Oft hatten sie Minijobs, die im Frühjahr 2020 aufgrund der Betriebsschließungen und Geschäftsaufgaben wegfielen, ohne dass ihnen Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld zustand. Während sich das Erwerbseinkommen vieler Frauen verringerte, vermehrte sich die von ihnen erbrachte Sorgearbeit, weshalb man von ihrer „doppelten Benachteiligung“ (Bettina Kohlrausch/Aline Zucco) sprechen kann.

Zu den Hauptleidtragenden der Pandemie gehören die Alleinerziehenden. Dies gilt in psychosozialer Hinsicht, aber auch in finanzieller. Der Lohn- bzw. Gehaltsausfall Alleinerziehender wurde aufgrund der notwendigen Betreuung unter-12-jähriger oder behinderter Kinder zu Hause nach dem Infektionsschutzgesetz für 20 Wochen mit 67 Prozent des früheren Nettoentgelts bis 2.016 Euro teilweise ausgeglichen. Rückwirkend ab 5. Januar 2021 können zusammen mit ihrem Kind gesetzlich versicherte Alleinerziehende zunächst 40 Arbeitstage lang Kinderkrankengeld in Höhe von zumeist 90 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts beziehen, wenn sie ihr Kind wegen einer Kita- bzw. Schulschließung oder einer Quarantänemaßnahme in der Pandemie zu Hause betreuen müssen. Bei mehreren Kindern erhöht sich der Anspruch für Alleinerziehende auf maximal 90 Arbeitstage pro Jahr.

Alleinerziehenden gewährte die Große Koalition zudem aufgrund ihres höheren Betreuungsaufwandes und der damit verbundenen finanziellen Mehraufwendungen auf zwei Jahre befristet einen höheren Entlastungsbetrag. Den können allerdings nur solche Elternteile nutzen, die Steuern auf ein relativ hohes Einkommen zahlen müssen. Die von Armut betroffenen oder bedrohten Alleinerziehenden – das waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes schon vor der Covid-19-Pandemie, dem Lockdown und der Rezession immerhin 42,7 Prozent aller Alleinerziehenden – kommen nicht in den Genuss dieser Maßnahme, weil sie gar keine oder zu wenig Einkommensteuer zahlen müssen.

Foto: Wolfgang Schmidt

Christoph Butterwegge (* 1951) hat von 1998 bis 2016 Politikwissenschaft an der Universität zu Köln gelehrt. 2017 kandidierte er für das Amt des Bundespräsidenten. Er gehört dem Gutachtergremium für den Sechsten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung an. In seinen Buchpublikationen beschäftigt er sich mit Rechtsextremismus, Rassismus und (Jugend-)Gewalt, der Sozialstaatsentwicklung, der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Ungleichheit, Kinder- und Altersarmut, dem demografischen Wandel, der Globalisierung, Migration und Integration.