Corona und wir

Azim Fakhri

Ich weiß noch, wie ich das erste Mal von Corona gehört habe. Das Virus war ganz neu und ich unterhielt mich gerade mit einem Freund. Er sagte mir, Corona könne wirklich gefährlich werden und ich sagte ihm: „Ach nein, wir sind weit weg von China und bis das Virus es zu uns geschafft hat, werden sie schon etwas gefunden haben, um es zu stoppen.“

Ein oder zwei Wochen später – ich war gerade in der Schule – fragte mich ein Klassenkamerad, wo ich wohne. Ich antwortete und er sagte: „Hast du gestern Abend keine Nachrichten geschaut?“ Dann erzählte er mir, dass sich ein Doktor in meinem Ort infiziert habe und er und seine Familie nun im Krankenhaus seien.

Das war der Moment, indem ich dachte: Wow, das ging schnell.

Als Einwanderer denke ich, wir sollten, genau wie alle anderen Menschen, die Regeln einhalten, wenn wir mit unseren Liebsten in Sicherheit leben wollen.

Dort, wo ich wohne, arbeite ich ehrenamtlich mit Geflüchteten. Ich kenne fast jeden von ihnen und fast alle haben mich gefragt, ob wir – die Geflüchteten – auch irgendwann eine Impfung bekommen. Ich sagte ihnen, auf jeden Fall, wir sind auch Menschen und wenn wir an der Reihe sind, dann werden auch wir geimpft. Die Einschränkungen sind frustrierend, sagte ich, aber wir können das schaffen und es wird wieder bessere Zeiten geben.

Die meisten Familien von Geflüchteten sind größer als deutsche Familien. Ich denke, das ist ein Grund, über den sie sich Sorgen machen. Sie haben Angst um sich und ihre Kinder.

Am Anfang, als alle Geschäfte für einige Zeit geschlossen hatten, war das sehr stressig für uns. Meine Kinder fragten mich die ganze Zeit: Wann können wir wieder zur Schule gehen? Wann können wir unsere Freunde und Freundinnen wiedertreffen und mit ihnen spielen? Ich hatte keine Ahnung, was ich ihnen sagen sollte. Inzwischen gehen sie wieder in die Schule und ich hoffe, dass bald alles wieder seinen normalen Lauf geht.

Andererseits ist es immer noch eine neue Situation für jeden von uns und all das, was wir erleben, ist schwer in Worte zu fassen. Als Vater ist es meine Aufgabe, meine Kinder anzuleiten, ein gutes Vorbild zu sein und ihnen zu zeigen, wie sie sich schützen können, wenn sie in der Schule sind oder draußen im Park.

Einige Leute, mit denen ich spreche, glauben nicht an Corona und das alles. Sie sagen, so etwas gibt es einfach nicht – Deutsche und Geflüchtete. Wenn ich mit ihnen spreche und über Corona diskutiere, fällt es mir schwer, sie vom Gegenteil zu überzeugen.

Ich weiß nicht, wie hoch der finanzielle Schaden seit Corona ist, aber ich bin sicher, er ist ziemlich groß. Es gibt so viele Leute, die ihren Job verloren haben, aber – wie ich meinem Klassenkameraden gesagt habe – Corona ist nicht so schlimm wie der Zweite Weltkrieg.

Damals war Deutschland komplett am Boden, aber die Menschen haben beschlossen, ihr Land wieder schön zu machen, und das haben sie getan. Wir können Corona überstehen. Wir können es möglich machen.

Was ich gelernt habe, ist: dass wir einander lieben sollten und füreinander da sein sollten, wenn jemand unsere Hilfe braucht. Denn wir haben wirklich keine Ahnung davon, was uns die Zukunft bringt.

Foto: Ronja von Wurmb-Seibel und Niklas Schenck

Azim Fakhri ist 31 Jahre alt, Informatiker und Künstler. Er lebt seit 2014 in Deutschland. Zurzeit absolviert er hier eine Ausbildung als Fachinformatiker-Systemintegration. Bereits in seiner Heimat Afghanistan war er unter dem Namen Kabul Knight als Grafikkünstler tätig. Der Einsatz für Menschenrechte, Friedensbotschaften und Zeichen der Hoffnung kennzeichnen seine Arbeit.