Die falsch verstandene Freiheit?

Thomas Jakob

Menschen, die gegen die Corona-Regelungen protestieren, schreien häufig nach Freiheit. Freiheit für was und warum? Hier wird der Begriff der Freiheit missbraucht und umgedeutet. Der demokratische Gedanke, in einer Krise als Gesellschaft füreinander da zu sein und damit als einzelner Mensch Verantwortung für das gesamte soziale Gefüge zu übernehmen, wird als Zwang und Eingrenzung empfunden.

Es scheint, als müsse man sich frei machen von dieser Eingrenzung und Verantwortung. Feige ist das! Der Ruf nach Freiheit wird als Feigenblatt für den eigenen Egoismus verwendet. Nichts soll von den individuellen Bedürfnissen für die gesamtgesellschaftlichen Belange in dieser Pandemie-Situation geopfert werden. Das Bewusstwerden, dass ich als Mensch und Teil dieser Gesellschaft mit verantwortlich bin für das, was geschieht oder geschehen soll, verunsichert.

Aus Verunsicherung wird nur allzu schnell Angst und diese Angst macht anfällig für einfache Lösungen. Lösungen, in denen der einzelne Mensch keine Verantwortung übernehmen muss. Lösungen, bei denen geglaubt werden kann, man sei frei. Frei von Verantwortung für das, was um einen herum passiert. So frei, dass der Mensch sagen kann: Ich habe doch nichts gewusst. Allzu gut wissen wir aus der Geschichte, wohin diese Gedankengänge führten.

Als ich in Themar an der Tankstelle war, schimpfte ein Mensch: „Das ist doch nicht mehr zum Aushalten hier. Es ist schlimmer als bei den Nazis!“ Mich hat es sehr verwundert, dass die derzeitige Pandemie-Situation schlimmer empfunden wird als eine der grausamsten Diktaturen der Zeitgeschichte. Nach dieser Begegnung stelle ich mir umso mehr die Frage, nach was dieser Mensch und die vielen anderen streben, die sich angeblich unfrei fühlen.

Aber wie kann dem begegnet werden? Wie hole ich Menschen in ein gesellschaftliches System zurück, das sie als problematisch empfinden oder gar ablehnen oder in deren Vorstellung Demokratie und Diktatur verschwimmen?

Es bleibt nur eins: Wir müssen zurückschauen und die Situationen erkennen, in denen wir vergessen haben, den Begriff der Freiheit für alle gut zu erklären und erlebbar zu machen!

Foto: privat

Thomas Jakob engagiert sich beim Bündnis für Demokratie und Weltoffenheit in Themar. Der Ort erlangte in den letzten Jahren immer wieder bundesweite Aufmerksamkeit. Erst durch Rechtsrockkonzerte mit tausenden Besuchern und später durch Strategien, diese Konzerte zu verhindern.