Der öffentliche Raum ist kein Vergnügungspark. Zur gesellschaftlichen Teilhabe von Kindern

Barbara Lochner

„Als die Spielplätze geschlossen waren, mussten wir nach Alternativen suchen. Von öffentlichen Plätzen wurden wir verwiesen, weil wir doch die Arbeit von anderen Leuten stören. Weil die Kinder zu laut wären. […] Dann wurde man noch von allen Stellen weggescheucht, weil die Kinder halt einfach mal etwas lauter sind. Man wurde tatsächlich vertrieben von öffentlichen Plätzen“, sagt Frau Anton im Interview. Geschlossen. Verwiesen. Zu laut. Weggescheucht. Etwas lauter. Sollten Kinder vielleicht etwas lauter sein in der Pandemie?

In der Äußerung von Frau Anton offenbart sich, wie Kindheit in unserer Gesellschaft konstruiert wird: Kindsein geht einher mit einer räumlichen Zuweisung an speziell für Kinder gemachte Orte und einer Exklusion aus dem öffentlichen Raum. Da „öffentliche Plätze“ per definitionem „für jedermann zugänglich und für alle bestimmt“ sind, heißt das auch, dass ein Kind weder „jedermann“ ist, noch Teil der Gemeinschaft von „alle[n]“. „Jedermann“ und „alle“ sind erwachsen. Dennoch besteht der Anspruch, Kinder gesellschaftlich zu inkludieren. Dafür werden in der Lebenswelt der Erwachsenen „besondere, geschützte Kinderorte“ (Zeiher/Zeiher 1991: 245) geschaffen – Spielplätze zum Beispiel, die auf antizipierte kindliche Bedürfnisse ausgerichtet sind und die die räumliche Orientierung der Kinder lenken sollen.

Die soziale Praxis, dass kindliches Leben neben dem häuslichen Umfeld vor allem an speziell für Kinder gemachten Orten stattfindet, ist – das zeigt auch die Äußerung von Frau Anton – funktional und gesellschaftlich akzeptiert. Es ist unproblematisch, dass es so ist, solange diese Orte zugänglich und verfügbar sind. Kinder lernen, dass der öffentliche Raum für sie vor allem eine Transitzone zu diesen Orten ist. Die soziale Praxis der „besonderen, geschützten Kinderorte“ konstituiert sich aus der Norm, dass die kindergerechte Gesellschaft Kinder einbezieht und ihnen Raum gibt. Dass diese Form der Inklusion von einem exkludierenden Charakter geprägt ist, wird in der Krise offenbar (Jaeggi 2014: 293). Die Wirklichkeit hält der Norm der kindergerechten Gesellschaft nicht mehr stand und zeigt damit, dass die Norm selbst widersprüchlich ist.

Foto: privat

Barbara Lochner ist Professorin für Pädagogik der Kindheit an der Fachhochschule Erfurt. Sie ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat zum Corona-Pandemiemanagement der Thüringer Landesregierung und hat 2020 eine der ersten Studien zum Wohlbefinden von Kindern in der Corona-Pandemie veröffentlicht. Im selben Jahr hat sie außerdem den Sammelband Das Projekt der Sozialen Arbeit. Konturierungen von Disziplin und Profession mitherausgegeben.