Maurice Höfgen
Über Jahre dominierte das Mantra der schwarzen Null die deutsche Finanzpolitik. Nach der Logik der schwarzen Null soll der Staat nicht mehr Geld ausgeben, als er über Steuern einnimmt. Wolfgang Schäuble machte sie als Finanzminister vor einigen Jahren zu seinem Markenzeichen. Ein Markenzeichen solider Finanzpolitik. Ganz im Sinne der Generationengerechtigkeit ― so das Narrativ. Sparsamkeit und Schuldenfreiheit seien Tugenden des privaten Haushaltens, die sich auch der Staat zu eigen machen solle. Sein Nachfolger Olaf Scholz übernahm diese Erzählung eins zu eins.
Dann kam die Coronakrise. Olaf Scholz und sein finanzpolitisches Erbe – die schwarze Null – waren plötzlich herausgefordert. Denn die Corona-Pandemie hat der Wirtschaft den Stecker gezogen. In so einer Situation muss ein Staat trotz wegbrechender Steuereinnahmen mit höheren Ausgaben gegenhalten. Höhere Ausgaben bedeuten zum Beispiel Corona-Hilfen für geschlossene Betriebe oder Arbeitslosengeld für die, die ihren Job verloren haben. Hätte der Staat die Wirtschaft in der Krise nicht mit solchen Mehrausgaben gestützt, wären viele Unternehmen pleite und noch mehr Jobs verloren gegangen.
Olaf Scholz wurde in Sachen Finanzpolitik krisenbedingt zum Pragmatiker. Gleiches gilt für Ursula von der Leyen als Präsidentin der EU-Kommission sowie Christine Lagarde als Präsidentin der Europäischen Zentralbank. Alle reagierten in ungewohnter Manier auf die Krise. Die europäischen Fiskalregeln, der Fiskalpakt, die Schuldenbremse, die schwarze Null ― all diese Spielregeln, die die Staaten sonst finanziell einschränkten, wurden kurzerhand pandemiebedingt ausgesetzt. Dadurch wurden, bildlich gesprochen, alle Ampeln auf grün gestellt, um den Staaten den Zugang zum Geldhahn der Europäischen Zentralbank zu ermöglichen.
Die große Frage: Geht das auch mit der Klimakrise? Ja. Alles, was wir technisch umsetzen können und wofür politischer Wille vorhanden ist, können wir uns auch finanziell leisten. Denn der Europäischen Zentralbank kann als Schöpferin des Euro das Geld niemals ausgehen!
Diese wichtige praktische Erfahrung aus der Coronakrise leitet eine neue ökonomische Denkschule auch theoretisch her: die Modern Monetary Theory.
Maurice Höfgen ist studierter Ökonom und Betriebswirt. Hauptberuflich ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Finanzpolitik im Bundestag tätig. Neben dieser Tätigkeit betreibt er unabhängige Forschung zu Fragen der Makroökonomik und Nachhaltigkeit und publiziert regelmäßig in akademischen und populärwissenschaftlichen Zeitschriften. Weiterführende Informationen sind auf mauricehoefgen.com zu finden.